Impostor-Syndrom: Warum Frauen an ihren Erfolgen zweifeln

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Das Impostor-Syndrom, also das Gefühl, eigene Erfolge seien unverdient, betrifft viele Frauen, insbesondere in männerdominierten Branchen wie MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) und in Führungspositionen. Trotz objektiver Erfolge erleben Frauen in diesen Bereichen häufig Selbstzweifel. Dieses Phänomen hemmt ihre berufliche Weiterentwicklung und begrenzt ihre Präsenz in wichtigen Branchen, in denen sie wertvolle Beiträge leisten könnten.

Was ist das Impostor-Syndrom?

Das Impostor-Syndrom beschreibt ein inneres Gefühl der Unsicherheit, bei dem eine Person trotz offensichtlicher Erfolge ihre Leistungen als zufällig oder unverdient wahrnimmt. Betroffene haben die ständige Angst, als „Betrüger“ entlarvt zu werden, selbst wenn ihre Ergebnisse für ihre Kompetenz sprechen. (Cleveland Clinic, 2022)

Es handelt sich hierbei nicht um eine klinische Diagnose, sondern um einen Begriff, der emotionale Zustände beschreibt, die viele Menschen – besonders Frauen und Minderheiten in Wissenschaft und Wirtschaft – erleben. Dr. Valerie Young betont, dass das ursprüngliche „Impostor-Phänomen“ diesen Zustand treffender beschreibt, da es weniger um individuelle Eigenschaften, sondern vielmehr um kollektive Einflüsse innerhalb bestimmter Gruppen geht.

Viele Strategien zur Überwindung des Impostor-Syndroms setzen auf individueller Ebene an, wie das Anerkennen eigener Erfolge, der offene Austausch über Erfahrungen oder das Verlassen der eigenen Komfortzone. Obwohl diese Ansätze hilfreich sein können, greifen sie nicht die systemischen und strukturellen Probleme auf, die ein Umfeld schaffen, in dem das Impostor-Syndrom gedeiht. Ein tieferes Verständnis dieses Phänomens kann man in dem unten eingebetteten Video gewinnen, das die Besonderheiten des Impostor-Syndroms und mögliche Bewältigungsstrategien erläutert:

Das Impostor-Syndrom in MINT und Führungspositionen

Frauen in MINT-Berufen und Führungspositionen sehen sich spezifischen Herausforderungen gegenüber: Geschlechterstereotypen, Ungleichheit und Vorurteilen, die ihre Selbstzweifel verstärken. In technischen Berufen werden Frauen oft mit Stereotypen konfrontiert, die ihr Selbstvertrauen untergraben. In Führungspositionen sind die Erwartungen hoch und die Angst vor Fehlern ist ausgeprägt, was zusätzlichen Druck erzeugt. Der Mangel an Unterstützung durch Arbeitgeber und Kollegen verstärkt diese inneren Zweifel, während männliche Kollegen oft leichter Zugang zu Karrierechancen haben.

Geschlechtsspezifische Ungleichheit und Impostor-Syndrom im MINT-Bereich

Die Ungleichheit im MINT-Bereich ist ein langjähriges Problem. Frauen, die hier arbeiten, erleben Diskriminierung und Stereotype, die ihr Selbstbewusstsein schwächen und den beruflichen Aufstieg erschweren. Wie wir bereits in unserem vorherigen Artikel über Geschlechtsspezifische Ungleichbehandlung im MINT-Bereich geschrieben haben, sind nur 20 % der Wissenschaftler im MINT-Bereich Frauen, und sie erleben häufig Situationen, in denen ihre Erfolge heruntergespielt und ihre Fähigkeiten in Frage gestellt werden. Eine Studie der Universität Utah ergab, dass 68 % der Frauen in MINT-Berufen das Impostor-Syndrom erfahren. Experten führen dies auf systemische Probleme wie Perfektionismus, Geschlechterstereotypen und fehlende Vorbilder zurück. Frauen, die das Impostor-Syndrom erleben, fühlen sich oft gezwungen, ihre Kompetenz immer wieder zu beweisen, was sich negativ auf ihre Karriere auswirken kann.

Führungspositionen und das Impostor-Syndrom

Auch in Führungspositionen ist das Impostor-Syndrom bei Frauen weit verbreitet. Laut einer KPMG-Studie aus dem Jahr 2020 gaben 75 % der befragten weiblichen Führungskräfte an, das Impostor-Syndrom irgendwann in ihrer Karriere erlebt zu haben. Zudem waren 85 % der Meinung, dass dieses Gefühl insbesondere unter Frauen in der amerikanischen Wirtschaft weit verbreitet ist, und 81 % berichteten von einem stärkeren Leistungsdruck im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen.

Diese Ergebnisse zeigen, dass Frauen in Spitzenpositionen häufiger ihre eigene Kompetenz infrage stellen, was zusätzlichen Stress verursacht und die Karriereentwicklung beeinflusst. Statt ihre Erfolge als Bestätigung ihrer Fähigkeiten zu sehen, hegen sie weiterhin Zweifel, was ihre beruflichen Möglichkeiten und den Aufstieg einschränkt.

Warum ist das Impostor-Syndrom in männerdominierten Branchen so verbreitet?

In traditionell männerdominierten Branchen wie Ingenieurwesen, Technologie und in den Chefetagen sehen sich Frauen zusätzlichen Hürden gegenüber. Sie spüren den Druck, ihre Kompetenz übermäßig beweisen zu müssen. Besonders in Umgebungen, in denen sie in der Minderheit sind, führt dies zu Selbstzweifeln und dem Eindruck, dass ihre Erfolge bloß auf Zufall beruhen. Dieses Phänomen wird durch strukturelle Ungleichheiten verstärkt, die den Zugang von Frauen zu Ressourcen und Unterstützung, die für ihre berufliche Entwicklung notwendig sind, einschränken.

Auswirkungen des Impostor-Syndroms auf die Karriereentwicklung

Frauen mit Impostor-Syndrom meiden oft berufliche Chancen aus Angst vor Versagen oder Zweifeln an ihren Fähigkeiten. Sie zögern, Beförderungen, neue Positionen oder Führungsrollen anzunehmen, was ihre Karriereaussichten begrenzt. Dies trägt dazu bei, dass Frauen seltener Führungspositionen innehaben als Männer, was die geschlechtsspezifische Lücke im Management weiter vergrößert.

Wie lässt sich das Impostor-Syndrom überwinden?

Um das Impostor-Syndrom zu überwinden, ist es wichtig, eigene Erfolge anzuerkennen. Hier einige Schritte, die dabei helfen können:

1. Erfolge sichtbar machen: Ein Erfolgsjournal hilft, eigene Leistungen zu verfolgen und innere Zweifel zu reduzieren.

2. Mentoring und Unterstützung: Der Austausch mit Mentorinnen oder Kolleginnen kann helfen, den eigenen Wert besser zu erkennen und innere Barrieren zu überwinden.

3. Unterstützung durch Arbeitgeber: Arbeitgeber sollten eine inklusive Arbeitsumgebung schaffen, in der die Erfolge von Frauen anerkannt und unterstützt werden, um das Impostor-Syndrom zu verringern.

Fazit

Das Impostor-Syndrom ist eine ernsthafte Hürde für Frauen in männerdominierten Branchen wie MINT und Führungspositionen. Es schwächt das Selbstvertrauen und verringert die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen beruflich vorankommen. Die Überwindung des Impostor-Syndroms erfordert sowohl persönliche Arbeit als auch systemische Veränderungen in der Unternehmenskultur, um ein unterstützendes und inklusives Umfeld zu schaffen.

Quellen

Cleveland Clinic (2022, 4. April): Impostor Syndrome: What It Is and How To Overcome It. (abgerufen am 18.09.2024).

KPMG (2022): Mind the Gap – Addressing Impostor Syndrome. (abgerufen am 18.09.2024).

University of Utah (2024): Cynthia Burrows, PhD – Impostor Syndrome. (abgerufen am 18.09.2024).

Vergauwe, J. et al. (2020): Exploring the Link Between Impostor Phenomenon and Burnout. Education Sciences, 10(10), 264. (abgerufen am 18.09.2024).